Ein Hauch von Nostalgie überkommt mich beim Betreten der neu eingerichteten Retro Gamelounge des Computermuseums im ColoBâle Datacenter in Pratteln. Ich werde von vertrauten, fröhlichen Melodien empfangen, während es gleichzeitig hell blinkt und leuchtet. Sofort fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. In Gedanken sehe ich mich mit meinen damaligen Schulfreunden auf der Couch sitzen, der gebannte Blick in die Röhrenbildschirme, lachend und feixend mit den Controllern in der Hand.
Mehrere grosse Arcade-Maschinen stechen mir ins Auge. Diese wuchtigen, blockigen Geräte erinnern an die dunklen Spielhallen von früher, in denen man sein hart erspartes Taschengeld in Rekordzeit ausgab. Zahlreiche kleinere Konsolen sind im ganzen Raum angeordnet. Viele davon sind mir unbekannt. Einige erkenne ich allerdings sofort.
In einer Ecke erspähe ich meine erste Jugendliebe: Einen Nintendo 64. Wie viele Stunden habe ich damals vor dieser Konsole verbracht? Regelmässig trafen wir uns nach der Schule bei meinem Kollegen, um zu zocken, bis die Finger verkrampften.
Ja, getroffen, in echt. Nimm das Generation Z! Wir hatten noch mehr sozialen Kontakt und Bewegung wie ihr. Wir mussten noch zu Kumpels gehen und diese verbal, ohne Headset, beim Spielen beleidigen sowie mit dem Ellbogen knuffen.
Spass beiseite. Auch unsere Generation hatte mit Vorurteilen gegen das Gamen zu kämpfen. Meine Eltern waren anfangs alles andere als begeistert von meinem neuen Hobby. Es dauerte deshalb eine Weile, bis ich meine eigene Konsole bekam. Letztendlich willigten meine Eltern zähneknirschend ein, wohl auch, weil ich fast nur noch auswärts war. Mit dem Einzug des Nintendos verbrachte somit auch ich wieder mehr Zeit zuhause. Erfolg! Danach kamen noch einige weitere Konsolen dazu. Bei der Playstation 4 fand meine Gaming-Karriere dann leider zeitbedingt ihr vorläufiges Ende.
Und jetzt steht sie vor mir. Meine geliebte Konsole. Behutsam schiebe ich den Startknopf nach oben, und sofort begrüßt mich das vertraute Nintendo-Logo. Gleichzeitig ertönt das sanfte „Kling“. Aus zwei kleinen PC-Boxen dringt die blecherne Melodie von 007 GoldenEye. Oh, welch Freude! Der Soundtrack meiner Jugend.
Das Spiel war meine damalige Königsdisziplin. Ich kannte jeden der virtuellen Räume wie meine Westentasche. Sämtliche Gegner waren chancenlos. Gebannt warte ich auf den Spielstart. Das Spiel beginnt, doch ich traue meinen Augen nicht. Ich kann das Bild vor lauter Pixeln nicht erkennen. Etwas schiesst auf mich, aber ich sehe nur unterschiedliche Graustufen. Nicht nur das, auch der Joystick fühlt sich komisch an. Während mein Daumen verzweifelt versucht, präzise zu steuern, schwankt Bond durch die Szenerie, als wäre er betrunken, und ballert dabei Löcher in Luft und Boden. Kurz darauf färbt sich der Bildschirm rot. Game Over.
Frustriert lege ich den Controller beiseite. Was war geschehen? Diese Konsole war damals für mich das Nonplusultra. Hat meine PS4 meine Augen verdorben? Unglaublich, wie sich diese Konsolen entwickelt haben! Ich lasse meinen Blick über den Raum schweifen. So viele Geräte aus unterschiedlichen Epochen, alle noch funktionstüchtig. Die meisten laden dazu ein, sie zu zweit oder sogar zu viert zu spielen. Diverse Hocker und eine grosse Ledercouch laden zum Verweilen ein.
Die Jungs vom Computer Museum haben hier wirklich ganze Arbeit geleistet. Ihre Gruppe besteht aus einer Handvoll Freiwilligen, Sammlern, Bastlern und IT-Spezialisten mit sehr viel Liebe zu Computern, Konsolen und Elektronik. Einer von ihnen ist Sven Süss. Er ist der Profi in Sachen Konsolen und Hauptverantwortlicher für die Gamelounge. In seiner Jugend durfte er aufgrund schulischer Schwierigkeiten keine Konsole besitzen. Darum hatte er sich geschworen, als Erwachsener sämtliche Konsolen zu kaufen.
Wenn ich so in den Raum schaue, muss ich sagen: Er hat sein Ziel erreicht! Sven hat freundlicherweise eingewilligt, mich zu treffen, um mir eine Einführung in die Geschichte der Konsolen zu geben. Ich komme nicht unvorbereitet. In meiner Hand halte ich eine Liste mit den wichtigsten Eckdaten und dem Who is who verschiedener Spiele- und Konsolengenerationen.
Zusammen schlendern wir den Tischen entlang und suchen nach den ältesten Modellen.
Eines der ersten berühmten Spiele ist wohl Space Invaders von TAITO aus dem Jahre 1978. Mit einem pixeligen Raumschiff schiesst man eine Reihe Aliens ab, während man sich vor deren Angriffen hinter Blöcken versteckt. Es war der grosse Renner in den Spielhallen, da es das erste Spiel mit einem Highscore war und hatte in seinem Heimatland unter anderem zu einer Knappheit von 100-Yen-Münzen gesorgt. Auch hier läuft es auf einem der grossen Automaten. Zudem zeigt mir Sven auch noch eine eine originale Mini-Variante von einem Taito Egret II-Spielautomaten, dessen Bildschirm sich von horizontal in den vertikalen Tate-Modus wechseln lässt.
Etwas daneben stossen wir auf die älteste Klein-Konsole der Sammlung. Ein Atari 2600 von 1977.
Diese Konsole war eine der ersten mit wechselbaren Spielkassetten. Mit ihrer sperrigen Form und dem Holzdekor wirkt sie in meinen Augen schon sehr altertümlich. Aber halt, was ist denn das? Ein HDMI-Anschluss?
Sven erklärt, dass einige der Geräte Remakes der Originale seien. Diese sind durch ihre modernen Flachbildschirmen und praktischen, internen Spieleauswahlmenüs angepasst für den heutigen Gebrauch und daher besser für eine öffentliche Ausstellung geeignet, während die echten Sammlerstücke, die in den heiligen Hallen des Museums aufbewahrt werden, geschont werden können.
Ein Stück weiter fällt mir ein weiß-roter Plastikwürfel auf, der mich ein wenig an ein Fisher-Price-Spielzeug erinnert. Sven stellt ihn mir als den Nintendo-Vorgänger, den Family Computer von 1983, vor. Der viereckige Controller in meiner Hand fühlt sich eigenartig vertraut an. Hat etwas von einem Gameboy.
Seine Nachkommen sind auch vertreten. Die Nintendo-Familie reicht vom Nintendo Entertainment System (1985) mit seiner gewaltigen Library, seinem 16-bit Bruder dem Super Nintendo Entertainment System (1990) bis zum GameCube (2002). Die lokale Prominenz auf den Nintendo Konsolen ist auch anwesend. Super Mario steht in den Startlöcher und animiert mich mit einem "Let's Go!"
Armer Mario, seine Leidensgeschichte ist lang. Jahrzehntelang musste er seine geliebte Prinzessin Peach aus den Fängen von Bowser befreien. Seit 2023 kann sie das jetzt auch selbst. Marios schärfster Konkurrent ist auch mit von der Partie.
Sonic, der blaue Igel, zwinkert mir frech von einem Röhrenbildschirm entgegen. Er ist bei Sega zuhause, von welchen Konsolen hier, der Mega Drive (1988), der Saturn (1994) und die Dreamcast (1998) präsent sind. Sven erklärt, dass alle Konsolen mit Röhrenbildschirmen tatsächlich noch Originalgeräte sind. Lange Zeit war Nintendo mit ihrem Spielkassettenformat dominant bis Sony mit der PlayStation die Ära der CDs einläutete. Die PlayStation 1 (1994) darf daher in dieser Sammlung nicht fehlen. Sie sowie auch die PlayStation 2 sind ebenfalls vorzufinden. Auch eine Xbox steht im Raum. Microsoft betrat damit 2002 den Markt und punktete mit einer erstmals eingebauten Festplatte.
Nebst Mario und Sonic bietet die kleine Lounge auch ein Zuhause für eine Vielzahl von weiteren Videospiel-Helden der damaligen Ära, vom Brüllaffen Donkey Kong, Schwertmeister Link, den Belmont Vampirjägern, Kopfgeldjägerin Samus Aran, dem blauen Kampfroboter Mega Man, rosa Nimmersatt Kirby, Elektromaus Pikachu, Grabräuberin Lara Croft, Kriegsveteran Master Chief bis zu Klotzbauer Minecraft Steve.
Auf die Frage, was Svens grösster Schatz der Sammlung sei, nimmt er mich zur Seite und öffnet ein verstecktes Schliessfach.
Er zieht einen unscheinbaren Plastikklotz mit einem Laufwerk hervor. Auf meine fragenden Blicke erzählt er mir, dass es sich hierbei um ein Diskettenlaufwerk für den Nintendo 64 handelt. Das Nintendo 64DD war nur auf dem japanischen Markt erschienen und musste nach zwei Jahren und lediglich 10 Spielen wieder eingestellt werden. Ein begehrtes Sammlerstück.
Svens erste TV-Konsole war übrigens ein Sega Master System. Er hatte es bei einem öffentlichen Gaming-Contest in Joe’s Videopalast gewonnen, als er in Sonic the Hedgehog 2 intuitiv den Highscore geknackt hatte, und das, obwohl er das Spiel zuhause gar nicht üben konnte. Von da an war sein Schicksal besiegelt und seine Begeisterung vollends geweckt.
Ich verabschiede mich von Sven und setze mich vor einen der Bildschirme. Duke Nukem fordert mich mit einem „Come get some“ zum Spielen auf.
Begleitet von schwerer Rockmusik tauche ich in die virtuelle Spielwelt ab.
Fun Fact: Da die Retro Gamelounge durch die Anbindung an das ColoBâle Datacenter, redundant vor Stromausfällen und anderen Gefahrenquellen abgesichert wird, laufen bei einem Blackout, die Konsolen für 3 Wochen munter weiter.
"Also ich weiss, wo ich dann beim nächsten längeren Stromausfall sein werde! Kommt ihr auch?"
Die neue Retro Gamelounge wurde 2020 eröffnet und stetig ausgebaut. Sie ist Teil des Computer Museums beider Basel (https://www.cmbasel.ch), welches sich im ColoBâle Datacenter in Pratteln befindet. Dieses Jahr wurde sie zudem, zusätzlich zu den Besuchern des Computermuseums, speziell auch für sämtliche Gäste vom ColoBâle Datacenter zugänglich gemacht.
Somit kann der erschöpfte Techniker oder Besucher des Datacenters bei einer kurzen Pause in der Lounge spielerisch die lange Entwicklung der Computerspiele nachverfolgen und sich etwa bei einer Runde Mariokart austoben und dabei die Füsse hochlagern.
Das Computer Museum beider Basel bietet jeweils am letzten Sonntag des Monats den Tag der offenen Tür an. Anmelden kann man sich unter https://www.cmbasel.ch/besuch/anmeldung
Bei genügendem Interesse führt die ColoBâle dann auch durchs Datacenter.
Individualführungen nur fürs Datacenter können für Interessenten von unserem Colocation -Angebot jederzeit unter https://www.colobale.ch/de/kontakt direkt angefragt werden.